Die Letzten ihrer Zunft
Handwerk hat goldenen Boden, sagt man. Es gibt aber auch Berufe, die rar geworden sind. Die OSTSEE-ZEITUNG stellt sechs Berufe aus dem Handwerk und die Menschen dahinter vor.
Polstereimeister Dirk Schröder Der Sofamacher in dritter Generation
Polstereimeister Dirk Schröder Der Sofamacher in dritter Generation
Stralsund. Dirk Schröder lehnt sich entspannt auf dem samtroten
Biedermeier-Sofa zurück. Um ihn herum lagern Stoffballen und Muster, es
gibt Gardinen und Teppiche. „Ich schaue positiv in die Zukunft“, sagt
der 47-jährige Stralsunder. Und wenn er einen Blick zurück wirft, sieht
er dort ein mittlerweile 72-jähriges Familienunternehmen. Sein Opa hat
im Juni 1946 die Firma gegründet. Und so kann mit dem Namen „Polsterei
Schröder“ in Stralsund wohl fast jede Familie etwas anfangen.
Vom Tapeziermeister zum Raumausstatter
In
dritter Generation führt Dirk Schröder den Familienbetrieb, hat auch
seine Ausbildung zum Polsterer dort absolviert. „Eigentlich war von
Anfang an klar, dass ich das Geschäft des Vaters mal übernehmen werde.
Und ich wollte auch nichts anderes machen“, sagt er. „Es macht mir Spaß,
auch wenn sich das Betätigungsfeld immer wieder ändert.“ So war sein
Vater Klausdieter Schröder der letzte Tapeziermeister, dann nannte sich
das Ganze Polsterei, und heute geht der Kunde zu einem Raumausstatter.
Ob Bodenbelege, Gardinen, Möbelstoffe, Bootspolster oder Schaumstoffe –
die Polsterei Schröder bedient viele Felder. Dabei klopfen vom
Einzelkunden, der einen Stuhl neu bezogen haben möchte, bis zum Hotel
ganz unterschiedliche Kunden aus der ganzen Region im Stralsunder
Familienbetrieb an.
Foto und Bild: Miriam Weber/iso
Ofenmeister Heiko Ott Kachelöfen sind in
Ofenmeister Heiko Ott Kachelöfen sind in
Koserow. „Kachelöfen sind modern und total angesagt“, sagt Heiko Ott. Der
Ofenbaumeister aus Koserow auf der Insel Usedom hat volle
Auftragsbücher, die Nachfrage ist riesig. „Bis Ende Oktober bin ich
ausgebucht“, berichtet der 48-Jährige. Gerade arbeitet er auf einer
Baustelle am Ortsausgang von Wolgast. Auch dort wünscht der Kunde einen
Kachelofen.
Moderne Kachelöfen mit Sitzflächen sind beliebt
„Nachhaltige Energie- und Wärmegewinnung liegen im Trend“,
ergänzt Ott. Ein Kachelofen wiegt um die eine bis 1,5 Tonnen, weil alle
Teile aus Guss und damit unkaputtbar sind. Geheizt wird mit zehn Kilo
abgelagertem Holz – nicht mehr mit Kohlen. Das gibt für 12 bis 14
Stunden Wärme. „Heutige Kachelöfen sehen mit ihren größeren und edlen
Kacheln sehr schick aus, der Ofen hat wie ein Kamin eine
Sichtglasscheibe. Eine Sitzfläche rundherum gehört auch oft dazu“,
schildert Heiko Ott.
1986 begann er eine Lehre zum Ofensetzer bei der
Wolgaster Wohnungswirtschaft. Nach der Wende ging er nach Dortmund,
1991 kehrte der gebürtige Zempiner zurück. 1994 folgte sein
Meisterabschluss und 1999 das eigene Unternehmen.
Trotz Digitalisierung bleibt es ein Handwerk
Heiko Ott würde sich
über mehr Berufsnachwuchs freuen, „aber jungen Leuten heute ist schwere
Arbeit oft nichts. Ich plane zwar alle Bauvorhaben mit 3D-Visualisierung
am Computer, aber Ofenbau ist Handwerk. Da wird richtig zugepackt.“
Text und Bild: Cornelia Meerkatz
Pelzverarbeitung mit Uwe Hinz Der Kürschner macht auch Kissenbezüge
Pelzverarbeitung mit Uwe Hinz Der Kürschner macht auch Kissenbezüge
Pelze von der BRD in die DDR geschickt
Bergen. Einen Entwurf erstellen, Sortieren, Schneiden, Nähen, Füttern: Diese und
weitere Schritte in der Pelzherstellung gehören zum Arbeitsalltag für
Uwe Hinz. Der 69-Jährige gehört in MV zu den wenigen Menschen, die das
Kürschnerhandwerk beherrschen. Uwe Hinz erinnert sich, als er als
Schüler bei seinem Vater die ersten Schritte in diesem Handwerk lernte.
Nach der Schulzeit 1965 absolvierte er diesen Handwerksberuf im
Leipziger Pelz-Zentrum, machte seinen Meister 1971 und arbeitet seitdem
in Bergen.
„Ich weiß noch, wie wir die Schaufenster mit den neuesten
Stoffen und Arbeiten dekoriert haben. Damals haben die Leute noch einen
richtigen Schaufensterbummel gemacht und sich die neuesten Waren
angesehen. Das Kürschnergeschäft lief zu dieser Zeit sehr gut“, sagt er.
Auch, weil Pelze in der BRD zur Massenware gehörten. „Viele ausgediente
Pelze wurden in die DDR geschickt. Zum Aufbereiten und Umarbeiten haben
wir sie dann bekommen.
Ausrangierte Pelze werden zu Kissenbezügen
“Mit der Wende habe sich das Handwerk
gewandelt, Pelze waren nicht mehr gefragt. Zusammen mit seiner Frau
Beate – sie ist Handweberin und Stickerin – hat er das Angebot etwa im
Bereich der Lebensart erweitert. Aufträge als Kürschner bekommt er
trotzdem noch. „Oft aber im Bereich des Wohnambientes. Ich arbeite
Pelzmäntel unter anderem in Westen oder Kissenbezüge um“, sagt er.
Foto und Bild: Mathias Otto
Stuckateur Jens Hartwig Nach Tornado sanierte er das Bützower Rathaus
Stuckateur Jens Hartwig Nach Tornado sanierte er das Bützower Rathaus
Grimmen. Stuck ist für Wände, wie Schminke für Frauen“, sagt Jens Hartwig (45).
Er ist einer der wenigen Stuckateure im Landkreis. Vor elf Jahren
eröffnete er seine Stuckmanufaktur.„Angefangen habe ich allein.
Mittlerweile habe ich drei Angestellte“, erzählt Hartwig. Vor rund einem
Jahr mietete sich der Mann aus der Gemeinde Süderholz eine Werkstatt in
Grimmen. „Zuvor habe ich zu Hause auf 50 Quadratmetern gearbeitet, hier
habe ich 300“, sagt er. Und den Platz braucht er, denn die
Auftragsbücher sind voll. Was Hartwig herstellt, ist reine
Handarbeit. Kreativität gehört dazu, auch Geschick und Geduld.
„Jedes Objekt ist
anders und spannend“, das macht meinen Beruf aus.“
Derzeit
liegen in seiner Werkstatt vier Sockel für einen Pavillon. Die Schäfte
und auch die Kapitelle, die oberen Abschlusselemente, sind bereits
fertig aus Weißzement gegossen. Gerade nimmt Hartwig den fünften Sockel
aus der Silikonform. Besonders spannend finde er aber, wenn er bei der
Restaurierung alter Gebäude beteiligt ist. Sein Lieblingsprojekt war ein
Schlosszaun. „Auf dem Schlossgelände hat der Besitzer einzelne
Fragmente gefunden. Wir haben den Zaun neu angefertigt. Sieben Monate
hat es gedauert“, erzählt er. Aber auch an der Beseitigung der
Tornadoschäden am Rathaus in Bützow war er beteiligt. „Jedes Objekt ist
anders und spannend“, das macht meinen Beruf aus“, sagt er.
Text und Bild: Anja Krüger
Sattlerhandwerk von Manfred Hacker Individuell und vielseitig
Sattlerhandwerk von Manfred Hacker Individuell und vielseitig
Gützkow. Heute ein Sonnensegel, morgen eine Bootsplane, dann mal ein
Cabrioverdeck und nicht zu vergessen – das Pferdegeschirr: Das Handwerk
von Manfred Hacker aus Gützkow im Landkreis Vorpommern-Greifswald ist
wohl so abwechslungsreich wie kein zweites. „Die Vielseitigkeit macht
den Beruf aus“, sagt der Sattlermeister. Und zwar mehr denn je. Zwar
habe das kleine Familienunternehmen, das Vater Fritz 1982 gründete, auch
schon zu DDR-Zeiten Bootsplanen gefertigt und Sitze vom Trabi neu
bezogen. Doch erst nach der Wende habe er die Produktpalette um viele
andere Angebote erweitert. „Früher saßen hier sechs Leute und haben
Geschirre genäht“, blickt der 54-Jährige zurück.
Anfertigen nach Maß, dass können nur wenige Internetanbieter
Pferdezubehör zähle
zwar immer noch zu seinem Repertoire. Doch das Anpassen, Weiten und
Polstern eines Sattels etwa sei vornehmlich Winterarbeit. Den Alltag des
vierköpfigen Unternehmens bestimmen ganz verschiedene Kundenaufträge.
„Und jeder muss individuell wie ein Meisterstück abgearbeitet werden“,
betont Hacker. Das Anfertigen nach Maß – da könne keine
Internetkonkurrenz mithalten. „Mit unseren alten Techniken wollen wir
Tradition wahren und Zukunft gestalten“, sagt der Chef, für den neben
einigen Maschinen Nadel und Faden, Schere und Messer noch immer zu den
wichtigsten Utensilien bei der Arbeit gehören.
Text und Bild: Petra Hase
Bernsteindrechslermeister Henning Schröder Bernstein ist ein faszinierendes Material
Bernsteindrechslermeister Henning Schröder Bernstein ist ein faszinierendes Material
Ribnitz-Damgarten. Henning Schröder ist fasziniert vom Bernstein. „Seine unterschiedlichen
Farben und Formen machen ihn zu etwas ganz Besonderem“, sagt er.
Deutschlandweit ist er der einzige Bernsteindrechslermeister, der diese
Arbeit noch aktiv ausübt. Seine Prüfung hatte er 2004 vor der
zuständigen Handwerkskammer in Frankfurt am Main abgelegt. Dort konnte
er mit einem Globus überzeugen. Gefertigt aus gelblich-mattem und
knochenfarbenem Bernstein. Insgesamt 120 Arbeitsstunden hatte er Zeit
für die Anfertigung seines Meisterstücks. „Am Ende blieb sogar noch ein
Tag Luft“, kann er sich noch heute gut erinnern.
„Von diesem großen Schatz an Wissen, Erfahrungen
und Fertigkeiten kann ich bis heute profitieren.“
Ausgebildet wurde der
heute 36-Jährige von dem 2016 verstorbenen Bernsteindrechslermeister
Werner Lux. Wie kaum ein anderer kannte der Ribnitzer den Bernstein.
Kein Wunder, denn seine Ausbildung erhielt er in den Jahren von 1937 bis
1940 an der berühmten Staatlichen Bernsteinmanufaktur in seiner
Heimatstadt Königsberg. „Von diesem großen Schatz an Wissen, Erfahrungen
und Fertigkeiten kann ich bis heute profitieren“, so Henning Schröder.
Mehr als zehn Jahre lang fertigte Schröder Bernstein-Schmuck und
restaurierte auch Kunstwerke aus Bernstein. Seitdem er die
Verwaltungsleitung des Bernsteinmuseums übernommen hat, kommt er
allerdings nur noch selten in die Werkstatt.
Text: Edwin Sternkiker
Bild: Frank Hormann
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