So feiert Vorpommern Weihnachten
OZ fragte auf Rügen, in Ribnitz, Greifswald, Grimmen und Stralsund, wie
die Menschen das diesjährige Weihnachtsfest verbringen. Und da kamen
originelle Traditionen zu Tage.
Da gibt es Menschen, die setzten auf große Familienrunden, wollen alle Lieben beieinander haben. Andere freuen sich auf ausgedehnte Strandspaziergänge, während für so manchen eher das Festessen im Mittelpunkt steht. Und
wir trafen auch die, die Weihnachten 2017 arbeiten müssen - so wie der
Schutzdienst-Mann im Stralsund Museum, der den Wikinger Goldschatz
bewacht.
Rote Kugeln am Baum
Nobbin. „Ich feire Weihnachten mit meiner Familie natürlich auf Rügen“, sagt Kerstin Kassner.
Die ehemalige Landrätin der Insel und heutige Bundestagsabgeordnete
(Linke) besucht Heiligabend zunächst die kranken Schwiegereltern in
Glowe. „Danach fahre ich zu meiner Schwester in Polchow, um
einige Stunden mit ihr und unserer Mutter zu verbringen.“ Später nimmt
sie die Mutter mit ins heimische Nobbin, „wo wir unter dem mit roten
Kugeln und frischen Kiefernzweigen geschmückten Bügelbaum gemeinsam mit
meinem Sohn und seiner Familie weiterfeiern“. Dann gibt es Ente mit
Rotkohl.
Bevor die Geschenke ausgepackt werden, muss jeder noch Gedichte
aufsagen. „Am nächsten Tag unternehmen wir traditionell einen
Spaziergang zum Hügelgrab von Nobbin."
30 auf einen Streich
Neuendorf. Für Landrat Ralf Drescher
(61) wird dieses Fest ein ganz besonderes: Er hat am ersten
Weihnachtsfeiertag bei sich zu Hause in Neuendorf bei Grimmen die ganze
Familie zu Gast.
Das sind immerhin 30 Leute, die aus allen Teilen
Deutschlands anrücken - aus Jena, dem Berliner Umland und der Nähe von
Lübeck. Damit der CDU-Politiker und seine Frau nicht den ganzen Tag nur
zwischen dampfenden Töpfen und Kesseln in der Küche stehen müssen,
bringt jeder Teil der Familie eine eigene Ente mit. Das Essen selbst ist
dann eine logistische Herausforderung. Es sind so viele Gäste, dass sie
sich im ganzen Haus verteilen müssen. „Eine so große Tafel haben wir
nicht“, sagt Ralf Drescher. Zum Glück gibt es noch den zweiten Feiertag:
Da hat er Zeit zum Ausruhen – und Aufräumen.
Für andere etwas tun
Grimmen. Ruhig und besinnlich soll es während der
Weihnachtstage in seiner Familie zugehen. Das sei ihm wichtig, sagt
Grimmens Bürgermeister Benno Rüster. Heiligabend werde er auf jeden Fall zu Hause verbringen, gemeinsam mit der Familie.„Am Abend kommen die Kinder zu Besuch“, sagt Rüster.
Die Hauptmahlzeit des Tages gebe es auch am Abend: „Zünftigen
Kartoffelsalat mit Würstchen“, verrät der 57-Jährige.
Der erste
Weihnachtsfeiertag steht für den Grimmener ganz im Zeichen des
inzwischen traditionellen Essens für Einsame im städtischen Kulturhaus.
„Eine Initiative, bei der viele Freunde mitmachen“, erklärt Benno Rüster. Es sei „sehr wichtig, dass man anderen zeigt, wie schön das ist, für andere Menschen etwas zu tun“, ist Rüster sicher.
Großfamilie macht Party
Greifswald. Mit gefühlt 200 Kindern und 100
Rentnern feiert die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte
Unternehmerfamilie Braun aus Greifswald das Weihnachtsfest.Laut
Cheplapharm-Geschäftsführer Sebastian Braun treffen sich alle
Familienangehörigen - Großeltern, Eltern, Geschwister, Onkel, Tanten,
Cousins und Cousinen - in Prosnitz auf Rügen.„Da viele kleinere
Kinder dabei sind, kommt traditionell der Weihnachtsmann, der vor der
Geschenkübergabe aber Lieder und Gedichte hören will.“
Die Großen machen
es sich bei einem leckeren Fünf-Gänge-Menü gemütlich, wobei viele der
Zutaten aus den zur Firmengruppe gehörenden Unternehmen stammen. „Auf
diesen wunderbaren Festschmaus freuen sich alle“, versichert Sebastian
Braun.
Feiern ganz klassisch!
Greifswald. Der Heiligabend verläuft bei Maika Fehlau (31) aus Pritzier bei Wolgast ganz klassisch.
Am Nachmittag geht es zum Gottesdienst in die Hohendorfer Kirche, ehe
sich am Abend die Großfamilie um den Tannenbaum vereint. „Vier
Generationen sitzen dann zusammen“, sagt die Bankkauffrau von der
Volksbank Wolgast eG.
Beim Essen wird auf Tradition gesetzt - „natürlich
gibt es am Nachmittag Stollen mit Rosinen, abends Kartoffelsalat mit
Wiener Würstchen“.
Den Baum, der stets vom Buddenhagener Weihnachtsmarkt
geholt wird, schmückt die Familie mit Kugeln, aber ohne Lametta erst am
23. Dezember. Töchterchen Hilda (5) ist dann aber schon ziemlich
aufgeregt, bevor am Heiligabend der Weihnachtsmann erscheint. Dank des
Nachbarn steht er dann leibhaftig in der Stube.
Bärenfang: Ein Muss!
Wolgast. Für den Wolgaster Bürgermeister Stefan
Weigler sind die Tage vom 24. bis 26. Dezember mit Essen und Trinken in
der Großfamilie gefüllt. Ganz klassisch mit Geflügel und Wild sowie am
Heiligabend mit Kartoffelsalat und Würstchen. „Zwischen den
Mittagsmahlzeiten, Kaffee und Abendbrot wechseln die Schauplätze“, so
das Stadtoberhaupt, das mit seiner Frau und den beiden Kindern Till (8)
und Frederike (12) zwischen Wolgast, Zempin und Zinnowitz pendelt.„Für Spaziergänge wird die Zeit knapp“, gesteht der Verwaltungschef.
Ein Muss in Sachen Genuss zum Fest ist hingegen ein Bärenfang-Likör
nach masurischem Rezept. Es stammt von seiner Großmutter, inzwischen
versucht sich Weiglers Ehefrau daran. Und er glaubt, dass dies gelingt.
Zum Fest bewacht er einen Schatz
Stralsund. Wenn andere an den Weihnachtstagen unter
dem Tannenbaum sitzen, muss Jürgen Bauschke als Wachmann im Stralsund
Museum seinen Dienst tun. Der 63-jährige gebürtige Stralsunder kann zwar
an Heiligabend mit seiner Familie die Bescherung feiern, aber am ersten
Feiertag muss er wieder den Wikinger Goldschatz und die anderen Ausstellungsstücke bewachen. „Wir teilen uns die Dienste unter den
Kollegen an Feiertagen immer gerecht auf, so dass jeder etwas Zeit für
seine Familie hat“, so der Vater zweier erwachsener Söhne und stolze Opa
eines Enkels.
Seit 2011 ist Jürgen Bauschke als Angestellter
des Sicherheitsdienstes SWSD im Stralsund Museum rund um die Uhr im
Einsatz und muss mit seinen Kollegen die 24-Stunden-Dienste mit
absichern, denn das Verbrechen schläft bekanntlich nie.
Zum Jahresende
kann Bauschke allerdings mit seiner Familie Silvester feiern, doch nicht
zu ausgiebig, denn er muss am Neujahrsmorgen des neuen Jahres 2018
wieder seine erste Frühschicht beginnen.
Zweimal in die Kirche
Greifswald. Das Wichtigste zu Weihnachten ist für Chorleiterin Sigrid Biffar
aus Greifswald der Sinn des Fests: „Als tief gläubige Katholikin feiere
ich mit meiner Familie das große Geschenk, das uns der Herrgott gemacht
hat“, sagt sie: „die Geburt Jesu Christi.“ Die ganze Familie – sie, ihr
Mann, der Sohn, die Tochter und der Schwiegersohn – gehen stets um 17
Uhr zur Messe in die katholische Kirche. Danach wird alles gesungen, was
das Weihnachtsliederbuch zu Hause hergibt, sagt Sigrid Bifffar lachend.
„Stille Nacht, Heilige Nacht“ und „O du fröhliche“ zum Beispiel.
Die
Lichter am Christbaum haben sie dann auch schon angesteckt, und nach dem
letzten Lied beginnt die Bescherung, bevor am Abend alle ein kaltes
Buffet genießen.
Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag
wird bei Biffars Wild und Ente aufgetischt, Gäste kommen, und ein
zweites Mal geht die Familie in die Kirche. „Wir lesen aber auch viel,
entspannen und genießen einfach das Zusammensein“, erzählt Sigrid Biffar. Alles in allem sei das „so richtig Familie“.
Skat in Familie
Ribnitz-Damgarten. Für Andreas Gohs aus
Ribnitz-Damgarten steht die Familie im Vordergrund. Dieses Jahr kommen
sein Vater und seine Schwiegereltern zu Besuch. Nach Karpfen blau und
Bockwurst mit Kartoffelsalat geht es in die Kirche. Am späteren Abend
wird es spielerisch. „Während die Kinder sich mit ihren Geschenken
beschäftigen, spielen die Erwachsenen Skat“, sagt der 38-Jährige.
Auch
der erste Weihnachtstag ist Familientag mit Familienessen. Die selbst
geschlachtete Ente aus der Viehzucht der Schwiegereltern wird zum
Entenbraten. Alle Familienmitglieder wirken bei der Zubereitung mit.
Am
Nachmittag geht es zu den Schwiegereltern. In deren Dorf steht
traditionell ein Weihnachtsschießen an. Wer verliert, sorgt im nächsten
Jahr für die Verköstigung der Teilnehmer. Im vergangenen Jahr hatte
Andreas Gohs verloren.
Trubel unterm Baum
Bartmannshagen. Eltern, Kinder mit Partnern,
Enkel: Volles Haus am Heiligabend bei Janzens in Bartmanshagen. „Wir
werden wohl um die 15 Leute sein“, erzählt Angela Janzen. Der
Weihnachtsbaum stehe bereits seit einer Woche im Wohnzimmer –
geschmückt.
Was gibt’s zum Essen? Am Abend selbstverständlich
Kartoffelsalat und Bockwurst, erklärt die Bartmanshagenerin, die in
Grimmen einen Zeitungskiosk betreibt. Auch Fisch oder Käse stehen zur
Auswahl.
Nach dem Essen kommt der Weihnachtsmann, der wird aus dem
Familienkreis gestellt. „Darauf freuen sich die drei- bis zehnjährigen
Enkel schon“, weiß Angela Janzen.
An den Weihnachtsfeiertagen werde der Trubel
aber beendet sein. Die verbringe sie gemeinsam mit ihrem Mann. Nur zu
Hause? „Kann sein, dass wir mal ins Auto steigen. Da sind wir spontan.“
Drei Haselnüsse statt Weihnachtsgans
Sassnitz. „Meine Eltern sind schon seit 20 Jahren
auf Rügen, aber Weihnachten feiern wir zum ersten Mal alle gemeinsam auf
der Insel“, sagt Nina Zorbach.
Das Fest sei allerdings „die
einzige Gelegenheit, zu der ich mich nicht auf das Essen freue“. Zu
Weihnachten kommt nämlich eine Gans auf den Tisch, und die Vegetarierin
muss sich mit den Beilagen begnügen.
Die 23-Jährige studiert Osteopathie
in Frankfurt am Main, aber Weihnachten gemeinsam mit der Familie zu
verbringen, sei ihr wichtig. Und das geht dieses Jahr eben nur auf
Rügen, „wo meine Eltern das Wollgeschäft und Strick-Cafe ,Neko’ in
Bergen betreiben“.
Die Feier, zu der auch die Brüder und Onkel der
jungen Frau anreisen, findet aber in der Sassnitzer Wohnung der Eltern
statt. „Wir feiern zu sechst mit Blick auf die Ostsee“, freut sich Nina
Zorbach. „Oft spielt mein Vater etwas auf dem Klavier, und vielleicht
singen wir auch gemeinsam.“ Ausgerechnet jener Onkel, der am
leidenschaftlichsten und lautesten singen würde, könne aber in diesem
Jahr nicht mit von der Partie sein.
„Am nächsten Tag schaue ich mir mit
meiner Mutter den Märchenfilm ,Drei Haselnüsse für Aschenbrödel’ an“.
Endlose Strandspaziergänge
Prerow. Für Rene Roloff, den Bürgermeister von
Prerow, stehen die Feiertage vor allem für Ruhe und Entspannung. „Ich
freue mich schon seit Tagen, am Weststrand spazieren zu gehen“, sagt der
52-Jährige. Im Alltagstrott sei selbst am Wochenende wenig Zeit, an der
Ostsee die Seele baumeln zu lassen. „Es ist schön, den Freiraum zu
haben, bei endlosen Spaziergängen einfach alles fallen zu lassen“, sagt
Roloff. Dabei hat der passionierte Hobbyfotograf auch stets die Kamera
dabei. „Es macht Spaß, dabei immer etwas zu entdecken.“
Natürlich
steht auch bei Rene Roloff die Familie im Mittelpunkt. Sein 18-jähriger
Sohn wohnt bei ihm. Roloffs Bruder kommt mit Familie am Heiligabend zum
Kaffee vorbei. Ein Besuch bei den Eltern darf natürlich ebenfalls nicht
fehlen.
Am 24. Dezember kommt traditionell und klassisch Karpfen
blau auf den Tisch. Das weitere Menü ist dabei etwas ungewöhnlicher. Zum
Beispiel Bratwurst mit Sauerkraut. „Das geht auf meine Mutter zurück,
sie stammt aus Görlitz. Da ist Bratwurst Tradition“, so Rene Roloff. Die
Menükarte an den Feiertagen hält außerdem Pute und Wildschwein bereit.