Einsatz für Menschen in Not
Die „Seefuchs“, eines der Schiffe der Organisation Sea-Eye, patrouilliert an der tunesisch-libyschen Grenze. Zwei Wochen dauert so ein Einsatz auf hoher See. Der Alltag auf dem alten Hochseefischerboot ist streng geregelt: Feste Essens- und Besprechungszeiten, Wachen – nachts drei, tagsüber vier Stunden
– und Reparaturen an Deck.
Auch im Einsatzfall hat jedes Crewmitglied feste Aufgaben. Die Arbeit gelingt nur im Team.
Darauf, dass die Mannschaft auch mit Tod und Elend konfrontiert werden könnte, muss sie eingestellt sein. Sie weiß nie, was sie bei einem Einsatz erwartet.
Der Skipper trägt die Verantwortung
Seit Jahren fährt René zur See – vor allem auf Segelbooten. Auf der
„Seefuchs“
fährt er zum ersten Mal. Als Skipper trägt er die Verantwortung für das Schiff, die Mannschaft und den Ablauf eines Einsatzes. Er entscheidet. Crewmitglied Bert bringt es auf den Punkt: „Auf See gibt es keine Demokratie.“
René ist ein besonnener Skipper, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Und selbst nachts kann er sich kaum von der Brücke trennen.
Jeder an Bord hat seine Aufgaben
Das Leben an Bord ist eine Teamleistung. Nur, wenn die Mannschaft gemeinsam funktioniert, kann sie im Einsatzfall Menschleben retten.
Auf der „Seefuchs“ gibt es genug zu tun: Reparaturen, Verpflegung oder Reinigungsarbeiten. Zwischendurch üben die Helfer immer wieder Manöver – die einzige Vorbereitung auf den Ernstfall.
Hinzu kommen die Wachen. Ein erfahrener Wachführer passt gemeinsam mit einem Wachgänger auf der Brücke auf und sucht dabei auch nach Flüchtlingsbooten.
Zuhause auf Zeit
Unaufhörlich ist die Maschine der „Seefuchs“ zu hören, ein monotones Stampfen, ein helles Klingeln. Dazu schaukelt das Schiff auf dem Mittelmeer, bei starkem Seegang kämpft sich der Fischkutter durch meterhohe Wellen, sodass das Wasser über den Bug schlägt. Unter Deck ist jeder Aufschlag auf das Wasser mit einem Knall zu hören.
Die 26 Meter Stahl werden für zwei Wochen zum Zuhause für die Crewmitglieder. Nicht alle haben Erfahrung auf See, einige sind zum ersten Mal auf dem Meer unterwegs.
Was treibt die Helfer an?
Die einen sehen es als ihre maritime und humanitäre Pflicht, Menschen in Seenot zu retten. Andere machen bei Sea-Eye mit, weil die EU, die aus ihrer Sicht zuständig wäre, nicht hilft – und stattdessen die libysche Küstenwache unterstützt.
Sie sind sich aber einig: Alle wollen, dass weniger Menschen auf ihrer Flucht sterben.
Zusammenarbeit auf See
Vor der Küste Libyens sind noch weitere NGOs wie Sea-Watch, Mission Lifeline oder Open Arms unterwegs. Der Regensburger Verein Sea-Eye besitzt zwei Schiffe gleichen Typs. Um effektiv retten zu können, ist eine Zusammenarbeit der Organisationen unabdingbar. Nur gemeinsam lässt sich das Seegebiet, das etwa so groß ist wie Deutschland, einigermaßen abdecken, damit die Wege im Einsatzfall möglichst kurz sind.
Mit der „Sea-Eye“, dem Schwesterschiff der „Seefuchs“, tauscht sich die Crew laufend aus: ob bei Rettungen, technischen Problemen, Ausrüstung – oder Schokolade.
Die Seefuchs
Seit mehr als 50 Jahren ist das Schiff auf den Meeren zu Hause. Im März 2017 hat der Verein Sea-Eye den alten Fischkutter gekauft und für die Seenotrettung umgebaut. Dazu hat es seinen Heimathafen Stralsund verlassen und fuhr zunächst in eine Werft nach Rostock. Seit der Überführung nach Malta ist die „Seefuchs“ vor Libyen im Einsatz.
Nach ihrer Zeit als Fischerboot, war sie unter anderem als Charterschiff für Taucher unterwegs. Das ist auch der Grund dafür, dass die „Seefuchs“ im Vergleich zum Schwesterschiff „Sea-Eye“ in besserem Zustand ist. Sie war bis zum Einsatz im Mittelmeer als Fischerboot eingesetzt – und die müssen nicht gut aussehen.
Die Angst fährt mit
Der Gedanke, wie viele Flüchtlinge nicht gerettet werden können, fährt mit. Das Gebiet ist riesig, die Möglichkeiten Boote zu finden stark eingeschränkt. Nicht zuletzt ist die libysche Küstenwache präsent – und nicht ungefährlich. Immer wieder kommt es zu Konfrontationen, bei denen Menschen sterben.
Die Ängste der Crew drehen sich aber viel mehr darum, nicht mehr helfen zu können, zu spät zu einem Einsatz zu kommen oder ein Boot schlicht zu übersehen.
Reden hilft, Erlebtes zu verarbeiten
Nach der Mission kommt die Crew zusammen, um über die Einsätze zu reden. Wie haben sie die Zeit erlebt? Was werden sie nicht mehr vergessen? Gibt es Kritik? In einem ausführlichen Gespräch bekommt jeder den Raum, sich Luft zu machen und zu berichten, was ihm auf der Seele liegt. Eine spannende Zeit und ein tolles Team werden den Helfern in Erinnerung bleiben.
Die „Seefuchs“-Einsätze gingen glatt, Schicksalschläge blieben weitesgehend aus. Das ist aber nicht immer so.