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Los geht's

Mit dem Elektroauto durch MV

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E-Autos sind das Versprechen der Zukunft. Doch sind sie auch jetzt schon alltagstauglich?

Die OSTSEE-ZEITUNG hat es ausprobiert.

Die Redakteure Benjamin Fischer und Alexander Müller haben das neue Elektrofahrzeug der Stadtwerke Stralsund zwischen Rostock und Greifswald eine Woche unter die Lupe genommen.

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Ich gehöre zu jenen Menschen, die man als Vielfahrer bezeichnen kann. Ich lebe mit meiner Familie in Rostock und pendle jeden Tag zur Arbeit nach Stralsund. Das sind hin und zurück etwa 160 Kilometer. Benzinkosten sind ein entscheidender Faktor bei meinen monatlichen Ausgaben.

An den ökologischen Wahnsinn der ganzen Fahrerei mag ich gar nicht erst denken. Kurzum: Ein Elektroauto, mit niedrigen laufenden Kosten und keinem Dreck aus dem nicht vorhandenen Auspuff, wäre die perfekte Lösung für jemanden wie mich. Aber funktioniert das auch im Alltag einer ländlichen Region, in der technologische Fortschritte stets mit etwas Verzögerung ankommen?




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Das Fahrzeug ist ein Renault Zoe, beim ersten Mal Einsteigen fühlt es sich erstmal wie ein ganz normales Auto an.

Der Aha-Effekt stellt sich nach dem Einschalten ein. Es passiert nämlich nichts. Kein Zündgeräusch, kein ratternder Motor, einfach nur Stille. Stattdessen leuchtet auf dem digitalen Armaturenbrett die mögliche Reichweite auf: 300 Kilometer.

Der zweite Aha-Effekt kommt beim Losfahren. Der kleine Flitzer gibt Schub und ich werde ordentlich in den Sitz gedrückt. Und das, obwohl der Kleine nur 58 PS hat.



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Die erste Fahrt geht auf der B105 nach Rostock. Wo Tempo 100 möglich ist, nutze ich das auch aus. Am Ende bin ich 85 Kilometer unterwegs gewesen. Von den anfänglich angezeigten 300 Kilometern sind am Ende noch 190 übrig.

Zurück geht es am nächsten Tag – ohne Aufladen wohlgemerkt – auf der A20 in Richtung Stralsund.




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Das Auto lässt sich auf maximal 140 km/h beschleunigen. Das lasse ich aber schnell wieder bleiben, denn die Batterie entleert sich rasant. Stattdessen fahre ich mit Tempo 90 im Eco-Modus, der zum Beispiel die Klimaanlage herunterregelt. Zum Glück liegen die Temperaturen nicht mehr bei über 30 Grad!

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Auch wenn die anderen Autos mit ihren Diesel- oder Benzinmotoren an mir vorbeirasen, stellt sich bei mir ein Überlegenheitsgefühl ein:

Ich bin bereits in der Zukunft angekommen, ihr nicht.

Doch die trügerische Überlegenheit schlägt schnell in Angst um – Angst, es mit der Batterie nicht bis nach Stralsund zu schaffen. Als ich ankomme, werden mir nur noch wenige Kilometer Restreichweite angezeigt. Jetzt muss der Stromer dringend an eine Ladesäule.

Die Stadtwerke Stralsund betreiben sechs Stück im Stadtgebiet. Die nächste zur OZ-Redaktion befindet sich in der Heilgeiststraße. Meine Sorge ist: Wenn die jetzt gerade besetzt ist, habe ich ein Problem. Zum Glück sind beide Plätze frei (wie auch an den anderen Tages unseres Tests).

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Ich melde mich einmal an, hole das Ladekabel aus dem Kofferraum und stecke es an die Säule. Zwei Stunden dauert es nun, bis der Vorgang abgeschlossen ist. Das kostet etwa sechs Euro. Wer das Auto allerdings stehen lässt, muss auch ohne Laden pro 15 Minuten 40 Cent bezahlen.

Damit soll verhindert werden, dass mit geladenen Autos unnötig die Plätze blockiert werden. Heißt für mich: Wenn die Batterie voll ist, muss ich raus aus dem Büro und den Wagen umparken.

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Die Zukunft, sie kommt nicht mit rasend schneller Geschwindigkeit daher, sondern eher entschleunigt, fast schon gemütlich. Zwei Lektionen habe ich während unseres einwöchigen OZ-Elektroauto-Tests gelernt.

Erstens: Wer nicht in der Pampa stehen bleiben will, erkundigt sich vorher gründlich, wo genau sich eine Ladesäule befindet.

Zweitens: Wer zu stark aufs Gaspedal drückt, dem geht die Akkuladung schneller flöten als die Batterie eines uralten Smartphones. Um mit einem Elektroauto im Alltag zu bestehen, muss man also vor allem eines mitbringen: Zeit.


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Mein Fazit: Ja, ein Elektroauto mit dieser Reichweite ist alltagstauglich. Man muss aber Zeit für Planung und geringere Geschwindigkeit einkalkulieren. Auch eine längere Fahrt in den Urlaub würde ich damit nicht machen. Dafür bekommt man aber ein ganz neues Gefühl von Mobilität.

Ich habe viel bewusster auf meinen Verbrauch geachtet. Doch wenn jetzt mehr Leute auf die Idee kommen, sich so ein Auto anzuschaffen, müssen schnell weitere Ladesäulen her.

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Infrastruktur in Vorpommern

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25 reine Elektrofahrzeuge sind in Greifswald zugelassen, in Stralsund sind es sogar nur 18 E-Autos. Ladesäulen sind mittlerweile in allen Landstrichen zu finden.

So richtig alltagstauglich wird ein Elektroauto dann, wenn das Fahrzeug über Nacht zu Hause geladen werden kann. Die Stadtwerke Stralsund bieten die Möglichkeit an, sich eine Ladeeinrichtung – eine sogenannte Wallbox – installieren zu lassen.

Es gibt zwei Möglichkeiten: Bei dem einen Tarif lassen sich nur Elektroautos über die Vorrichtung laden. Bei dem zweiten Tarif besteht die Möglichkeit, auch andere stromintensive Geräte zu vergünstigten Konditionen anzuschließen.

Mehr Infos unter
www.stadtwerke-stralsund.de


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Die Enttäuschung stand meinem dreieinhalbjährigen Sohn ins Gesicht geschrieben, nachdem wir das Elektroauto der Stadtwerke Stralsund einen Tag lang auch in Greifswald getestet hatten und dann wieder zurückgeben mussten.

„Hä, heute wieder das Tank-Auto?“, presste er sogleich heraus, als es nach dem Test wieder mit dem Verbrenner in Richtung Kita ging. Verbrenner – das scheint unter E-Auto-Fahrern eine Art abfälliger Wir-sind-Fortschritt-Kampfbegriff für Fahrzeuge zu sein, die noch mit Benzin oder Diesel angetrieben werden. Man lernt das beim Reden an der Stromtankstelle, wo E-Autos und die Menschen darin aufeinander treffen.

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Das Fahren mit dem Elektroauto ist anders als im Verbrenner eine Art der Mobilität mit kommunikativen Begleiterscheinungen voller Anerkennung, die an einer konventionellen Tankstelle undenkbar wären.

„Wie weit kommt der denn?“, fragt ein Rentner, der beobachtet, wie ich das Ladekabel abziehe und wegdüsen will. „300 Kilometer!“ Der Mann staunt. „Das ist ja schon richtig was.“

Neben der Faszination, die ein eingestecktes Ladekabel bei vielen Menschen hervorzurufen scheint, gibt es einen zweiten Grund, der diese Gespräche befördert: Ladesäulen sind dann besonders beliebt, wenn sie mitten im Leben stehen, wo viele Menschen unterwegs sind: direkt in der Innenstadt, am Schwimmbad oder neben dem Einkaufsmarkt.

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Und das Leben ist viel einfacher, wenn man das Gefährt dort laden kann, wo es sich aushalten lässt. Deshalb folgender Plan am Nachmittag: Eis essen auf dem Greifswalder Markt und nebenbei laden.

Als wir die Ladesäule ansteuern, sind alle Plätze belegt. Ein großer schwarzer, etwas bonzig aussehender Tesla und ein E-Golf ziehen Strom. Ob beide nicht längst vollgeladen sind und hier nur noch kostenlos parken, bleibt im Dunkeln.

Eis gab’s aber trotzdem. Dafür gab es in der nahe gelegenen Tiefgarage keine Ladestation. Am nächsten Morgen das gleiche Spiel. Wieder kein Platz an der Ladesäule am Rathaus. Ab zum Freizeitbad, auch hier alles voll. Ausgerechnet in einer von einem Grünen-OB regierten Stadt gibt’s inzwischen offenbar zu wenig Ladesäulen.

Am Stadtrand, auf dem Gelände der Stadtwerke Greifswald, sind indes alle Ladeplätze frei. Nur womit soll man sich hier draußen die Zeit vertreiben?

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Wenn Ladesäulen sich dort befinden, wo wir die Autos im täglichen Leben sowieso abstellen, dann funktioniert der Alltag mit dem E-Auto super – auch für Pendler, die in einem Mehrfamilienhaus leben und deshalb keine eigene Ladebox in der Auffahrt haben.

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