Süße Sünde Was Marzipan mit Stralsund, Sex und der weltgrößten Schweinerei zu tun hat
Aromatische Mandeln, etwas Zucker und Rosenwasser - diese drei Zutaten genügen, um eine der beliebtesten Weihnachtsleckereien zu zaubern: Marzipan. In Stralsund werden aus der köstlichen Masse Spezialitäten hergestellt, bei denen Naschkatzen schwach werden.
Um das Marzipan ranken sich jahrhundertealte Mythen. Kuriose Weltrekorde wurde schon damit aufgestellt. Lustiges und Lehrreiches rund um die Nascherei.
Süße Manufaktur am Sund Stralsunder Marzipan in aller Munde
Im Marzipanhaus des Stralsunder Hotels am Jungfernstieg werden mit Liebe und Handarbeit Süßwaren hergestellt: Marzipanbrote, -kartoffeln und Pralinen aus der Hansestadt finden nicht nur in der Region immer mehr Fans, sondern weltweit. Die Produkte werden via Onlineshop auch von Australiern oder Brasilianern geordert.
Liebling ist der Stralsundtaler: eine Marzipanplatte mit dem Wappen der Hansestadt, auf einer Seite abgeflammt, auf der anderen mit Zartbitterkuvertüre überzogen.
Das Erfolgsrezept Mehr Mandel geht nicht Nadin Kunkel erklärt, was das Stralsunder Marzipan so besonders macht
Erst schlemmen, dann lieben Anregende Kalorienbombe
Im Mittelalter haben Apotheker Marzipan als
Medizin verkauft. Die süße Mandelmasse sollte nicht nur den Körper kräftigen und die Verdauung anregen. Sie galt auch als Potenzmittel.
Durchhaltevermögen können Naschkatzen von heute gut gebrauchen: Will ein 70-Kilo-Mensch die Kalorien eines handelsüblichen Marzipanbrotes wieder loswerden, müsste er dafür etwa
eineinhalb Stunden (aktiven) Sex haben. Alternativ ginge aber auch etwa eine
halbe Stunde joggen, zwei Stunden tanzen oder
zweieinhalb Stunden staubsaugen.
Appetit auf Marzipan Tonnenweise Nachschub für Naschkatzen
55000 Tonnen Marzipan in den verschiedensten
Geschmacksrichtungen werden in Deutschland jedes Jahr produziert.
Deutschlands Marzipan-Hochburg ist Lübeck,
bekanntester Hersteller Niederegger (seit 1806). Das Traditionsunternehmen
produziert 30 Tonnen Marzipan - pro Tag.
Die Geschichte des Marzipans Wie aus 1001 Nacht
Um Marzipan ranken sich mehrere
Mythen: Die Städte Lübeck und das spanische Toledo
reklamieren die Erfindung für sich. Wahrscheinlicher ist, dass bereits Ende des ersten Jahrtausends
Haremsdamen und Kalifen im Orient eine Süßmischung aus Mandeln, Zucker und Rosenwasser genascht haben und diese von
dort aus nach Europa gelangte.
Früher konnten sich nur Reiche - sprich
Könige und Fürsten - Marzipan leisten, denn die Zutaten waren sehr teuer. Erst
als Zucker nicht mehr nur aus Zuckerrohr sondern - viel billiger - aus Rüben
gewonnen werden konnte, wurde Marzipan
auch für die einfachen Leute erschwinglich. Nachdem im 18. Jahrhundert das Marzipan-Monopol der Apotheker kippte, boten fortan Konditoren die Süßigkeit an.
Geschmäcker sind verschieden So unterschiedlich ist Marzipan aus den Hochburgen Europas
In Stralsund oder Lübeck wird Marzipan aus Mandeln, Zucker und Rosen- oder Kirschwasser hergestellt.
Im
Gegensatz zum typisch deutschen Marzipan wird für das spanische Mazapán de Toledo die Rohmasse mit Eiweiß
vermischt, zu Figuren geformt, mit Eigelb bestrichen und dann für wenige Minuten im
Ofen gebacken.
Für das Königsberger Marzipan (erstmals im früheren Königsberg,
heute Kaliningrad,
hergestellt) wird die Mandelmasse geformt und abgeflammt. Dabei
karamellisiert die äußere Hülle. Der Begriff "Königsberger Marzipan" bezeichnet übrigens nur die Herstellungsweise, nicht den Ort. Es kann also überall produziert werden.
Auch im französischen Aix-en-Provence hat die
Marzipanherstellung eine lange Tradition. Dortige Spezialität sind "Calissons", Konfekt in
Form eines Weberschiffchens, das neben Mandelmehl und Puderzucker auch
gemahlene, kandierte Melone
und Orange enthält.
Zutaten für Marzipan vorgeschrieben Die richtige Mischung machts
Maximal 35 Prozent Zucker darf
Marzipanrohmasse enthalten, der Rest sind gemahlene Mandeln (bis zu zwölf
Prozent davon bitter) und Feuchtigkeit (maximal 17 Prozent). So steht es in den Leitlinien des
Deutschen Lebensmittelbuchs geschrieben.
Diese Rohmasse wird in der industriellen
Weiterverarbeitung mit zusätzlichem Zucker verknetet.
Im
Edelmarzipan steckt etwa 70 Prozent Marzipanrohmasse, einfaches Marzipan muss
mindestens 50 Prozent davon enthalten.
Die Qualität des Marzipans lässt sich an seiner Farbe erkennen: Hochwertiges, mandelreiches Marzipan ist eher gelblich. Je weißer es ist, desto mehr Zucker steckt drin.
Mit Marzipan ins Guinnessbuch Rekordverdächtige Schweinerei
Marzipan - der (Süß-)Stoff aus, dem Rekorde gemacht sind.
So schaffte es zum Beispiel der Lübecker Konditormeister Burkhardt Leu mit dem
größten Marzipan-Schwein der Welt ins
Guinnessbuch. 1050 Kilo brachte der süße Eber namens "Erwin" auf die Waage. Auf Leus Kappe geht auch ein lebensgroßes Kleid, verziert mit mehr als 25 000 Marzipanpralinen.
Wie man solch kolossale Naschereien herstellt, zeigt der Marzipanmeister im
Lübecker Marzipan-Speicher. Hier können Besucher auch ein Marzipan-Abitur ablegen.
Dafür müssen sie unter Anleitung eines Profis eine Marzipan-Rose oder einen
Marzipan-Hund modellieren.
Rund ums Jahr und um die Welt beliebt Die Staaten feiern das Marzipan
Marzipan ist der Verkaufsschlager in der Weihnachtszeit, aber auch darüber hinaus begehrt. Silvester werden Marzipan-Schweinchen und ähnliche süße, aus der Mandelmischung geformte Glücksbringer, verschenkt. Zu Ostern zieren Marzipanmöhren Rüblitorten, Marzipaneier oder
-früchte werden in Osternestern versteckt.
Die US-Amerikaner haben der Mandelmasse übrigens sogar einen
eigenen Feiertag gewidmet: Der 12. Januar ist in den Staaten "National Marzipan Day".
Rezept für zu Hause So stellen Sie Marzipan-Rohmasse selbst her
In der Stralsunder Manufaktur wird jede Marzipankartoffel liebevoll von Hand gerollt und dann in Kakaopulver gewälzt.
Die Rohmasse für Marzipanleckereien lässt sich auch zu Hause leicht herstellen. So geht's:
200 Gramm ganze Mandeln (mit Haut) mit heißem
Wasser überbrühen, kurz ziehen lassen und häuten. Solls besonders nussig sein,
blanchierte Mandeln in der Pfanne oder im Ofen kurz anrösten.
Dann die Mandeln im Blitzhacker fein zerkleinern.
Mandelmehl mit 150 Gramm Puderzucker und einem Schuss Rosenwasser (gibt es in der
Apotheke und in gut sortierten Supermärkten) verkneten. Wer mag, fügt der Masse etwas Orangensirup oder gemahlene Pistazien hinzu. Ein halbes Fläschchen Bittermandelaroma macht die Masse noch
aromatischer.
Die Rohmasse sollte kühl, luftdicht verpackt
und dunkel aufbewahrt werden. Noch besser: Gleich naschen oder als Zutat
verwenden. Bethmännchen, Mozartkugel, Likör, Baumkuchen oder
Stollen: Marzipan-Rohmasse lässt sich zu unendlich vielen, weihnachtlichen
Köstlichkeiten verarbeiten.
Genießer aufgepasst Mogel-Marzipan aus Pfirsichkernen und Grieß
Als Billig-Alternative, zum Beispiel in
Dominosteinen, setzt die Industrie oft Persipan ein. Dieses wird nicht aus Mandeln, sondern aus gemahlenen Pfirsich- oder
Aprikosenkernen hergestellt. Ein Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe lohnt sich beim Einkauf.
In Rezeptbüchern aus DDR-Zeiten findet man
Marzipan aus Weichweizengrieß. Der wird zu gleichen Teilen mit Zucker sowie Butter und etwas geriebenen Bittermandeln/ Bittermandelaroma vermischt.
Unwiderstehlich Marzipan hat viele Fans
Mit Marzipan versüßen sich viele nicht nur die Feiertage. Einer
Umfrage des Onlineportals Statista zufolge naschen 830000 Deutsche mehrmals pro
Woche von der zarten Mandelware, 70000 lassen sie sich sogar täglich schmecken.
Wen wundert's? Marzipan ist in so vielen Formen zu haben, da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Als Praline oder Likör, in Torten und Kuchen, als Dessertcreme oder Plätzchen, im Punsch oder als Bratapfelfüllung...Wer kann da schon widerstehen?