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Legal Kiffen in MV: Wird unser Land zu Modellregion?

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Coffeeshops mitten in Mecklenburg-Vorpommern: Seit Februar diesen Jahres wird im Bundestag ein Antrag diskutiert, der einzelne Regionen in Deutschland zu einem Eldorado für Kiffer machen könnte. Wenn es nach dem FDP-Bundestagsabgeordneten Hagen Reinhold geht, sollte MV eine dieser Regionen sein.

Die Landesregierung und Suchtberatungsstellen lehnen den Vorschlag ab, während Politiker der Oppositionsparteien das Vorhaben unterstützen. Ein Überblick.



Foto: Oliver Berg

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In vielen Teilen der Welt ist eine Liberalisierung des Cannabis-Konsums zu beobachten: Während in den Niederlanden das Kiffen schon seit 1976 geduldet ist, kann man in mittlerweile neun Bundesstaaten der USA Cannabis legal beziehen und konsumieren.

Ab 16. Oktober zieht auch Kanada nach und verspricht sich durch die Legalisierung Milliarden an zusätzlichen Steuereinnahmen, ein Austrocknen des Schwarzmarktes und mehr Handhabe im Jugendschutz.


Foto: Oliver Berg

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Ein Antrag der FDP aus dem Februar diesen Jahres soll nun ermöglichen, dass auch Bundesländer in Deutschland Modellregionen zur kontrollierten Abgabe von Cannabis werden können.

Herauszufinden, ob sich die Legalisierung im ländlichen oder urbanen Raum anders auswirkt, sei das Ziel dieses Projektes. Der gebürtige Wismarer und Bundestagsabgeordnete Hagen Reinhold erklärt:

„Mecklenburg-Vorpommern würde sich auf Grund seiner sehr ländlich geprägten Regionen ohne große urbane Zentren als Modellregion anbieten. Die derzeitige Kriminalisierung und die Strafandrohung schränkt weder die Verfügbarkeit noch die Verbreitung von Cannabis ein.“


Foto: Ove Arscholl

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Auf den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter teilte Reinhold ein Bild mit der Silhouette von MV.

Mitten drin: Ein Hanfblatt und eine Aufforderung das Bundesland zu einer Modellregion zu machen. Der Aufruf sorgte im Netz für Aufsehen. Im Zuge des Posts verweist der Bundestagsabgeordnete auf eine weiterführende Erklärung:

„Die rund 1,2 Millionen Konsumenten zwischen 18 und 64 Jahren, die regelmäßig konsumieren, zeigen, dass der Konsum von Cannabis längst breite Teile der Bevölkerung erreicht hat. Die derzeitige Kriminalisierung und die Strafandrohung schränkt weder die Verfügbarkeit noch die Verbreitung von Cannabis ein. Vielmehr dürfte die Dunkelziffer von Konsumenten deutlich höher liegen und der Konsum von Cannabis längst ein Massenphänomen sein."

Foto: Facebook

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Seit Februar wandert der Antrag durch die Mühlen der bundespolitischen Gesetzgebung.

Am 27. Juni gab es die erste Anhörung im Gesundheitsausschuss zu diesem Vorhaben. „Dort hat die FDP die richtigen Fragen gestellt und wurde in ihren Positionen von Sachverständigen bestätigt“, sagt Reinhold.

Foto: Swen Pförtner

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Cannabis-Konsum ist in MV allgegenwärtig, wie Andreas Vichel weiß:

„Cannabis ist der am meisten konsumierte illegale Suchtstoff in unserer Region. Ein Zehntel unserer Patienten kommt mit Cannabisproblemen.“

Folgen von regelmäßigen Konsum können Angst- und Panikstörungen sowie Schlafprobleme sein.

Foto: Karl-Josef Hildenbrand

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Das Innenministerium um Minister Lorenz Caffier (CDU) sieht Cannabis-Konsumenten als gesellschaftliche Gefahrenquelle:

„Von unter Drogenkonsum stehenden, in der Öffentlichkeit sich bewegenden Personen kann eine Gefahr für sich und andere ausgehen. Und dieses bleibt dabei nicht nur auf den Bereich des Straßenverkehrs begrenzt. Deshalb ist für die Landespolizei auch in Zukunft ein starkes Anliegen, die Kontrollen auf Konsum bzw. Besitz von Drogen auszuweiten. Die Legalisierung von Cannabis ist nach hiesiger Auffassung strikt abzulehnen."

Dass sich die Rauschgiftkriminalität allein im letzten Jahr um neun Prozent erhöht hat, führt das Ministerium auf die Polizeiarbeit zurück:

 „Die Fallzahl im Bereich der Rauschgiftkriminalität erhöhte sich im vergangenen Jahr um knapp 9 Prozent auf gut 5900 Fälle. Steigende Zahlen bei den registrierten Rauschgiftdelikten sind ein Beleg für erfolgreiche Polizeiarbeit."

Foto: Norbert Fellechner

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Das Justizministerium hält die Legalisierung bzw. Entkriminalisierung von Cannabis gerade hinsichtlich des Jugendschutzes für keine gute Idee:

„Aus meiner Sicht ist an dem Verbot nicht zu rütteln. Es wäre auch ein fatales Signal an Kinder und Jugendliche, wenn der erste Kontakt in die Drogenwelt unter legalen Voraussetzungen stattfinden würde“, mahnt Justizministerin Katy Hoffmeister (CDU).

Hoffmeister beruft sich bezüglich der Strafverfolgung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994. Demnach sollen die Bundesländer „in Fällen des gelegentlichen Eigenverbrauchs geringer Mengen ohne Fremdgefährdung“ die Strafverfolgung einstellen. In MV liegt die Eigenverbrauchsgrenze bei sechs Gramm, was dem Bundesdurchschnitt entspricht.

Foto: Jens Büttner 


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Simone Oldenburg sieht die restriktive Verbotspolitik in Deutschland als gescheitert an:

„Drogenabhängige sind in erster Linie krank und nicht kriminell. In Deutschland werden über 80 Prozent der Ausgaben im Kampf gegen Drogen für die Strafverfolgung ausgegeben. Dieses Geld fehlt bei Prävention und Bekämpfung der Sucht.“

Die Politikerin würde das Vorhaben von Hagen Reinhold unterstützen:

„Auch wenn eine bundeseinheitliche Regelung der beste Weg wäre, wäre es sinnvoll, wenn MV vorangeht und auf Landesebene den Weg für eine künftige Entkriminalisierung ebnet.“

Foto: Jens Büttner

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Claudia Müller, gebürtige Rostockerin und Bundestagsabgeordnete, ist überzeugt, dass die Jugend besser zu schützen wäre, wenn man den Konsum selber reglementiert:

„Wir plädieren für ein legales, aber streng reguliertes Abgabemodell. Nur so kann beispielsweise der Jugendschutz durchgesetzt werden. Denn Dealer fragen nicht nach einem Ausweis.“

Auf Müller und „Die Grünen“ könne Reinhold sich verlassen, wenn es um die Realisierung eines Modellprojektes geht:

„Wenn die FDP einen entsprechenden Gesetzesentwurf in den Bundestag einbringt, werden wir diesen gern unterstützen.“

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Der Bundestagsabgeortnete der AfD, Leif-Erik Holm, betont, dass das Thema in seiner Partei kontrovers diskutiert wird:

„Dabei geht es auch um die Frage, welche Langzeitfolgen bei regelmäßigen Konsum, insbesondere bei Jugendlichen, auftreten. Hier gibt es meiner Ansicht nach noch zu wenig belastbare Studien, weswegen ich eine Freigabe zum jetzigen Zeitpunkt ablehne.“

Ein Modellprojekt hält der gebürtige Schweriner für „Unfug":

„Die Mecklenburger und Vorpommern sind keine Versuchskaninchen für Drogen-Experimente mit offenem Ausgang. Wir sollten unser Land vielmehr zur Modellregion für Zukunfttechnologie und gute Löhne machen.“

Foto: Cornelius Kettler

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Diplom-Psychologe Alexander Groppler von der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen in MV stellt in Frage, ob sich durch eine Legalisierung der Jugendschutz wirklich wirksam verbessern lasse:

„Häufig findet der erste Kontakt mit legalen Suchtmitteln wie Alkohol im familiären Umfeld statt. Dies lässt vermuten, dass bei einer Legalisierung von Cannabis der Zugang noch leichter und somit der Konsum noch weiter und schneller als bisher steigen wird.“

Die Landeskoordinierungsstelle lehnt Legalisierungsbemühungen  ab:

„Es ist gesundheitspolitisch kein Ausweg, weitere Suchtmittel zu legalisieren", sagt Groppler.

Foto: Ingo Wagner

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Bei der ersten Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages wurden auch Anträge der Grünen und der Linken zur kontrollierten Cannabis-Freigabe diskutiert.

Es kamen Experten der Bundesärztekammer, Rechtswissenschaften, Suchtmedizin und der Polizei zu Wort. Dabei wurde deutlich, wie umstritten das Thema ist. „Im Herbst wird weiterdiskutiert“, sagt Hagen Reinhold.

Sollte der Antrag bewilligt werden und Modellregionen in Deutschland möglich sein, läge die Entscheidung, ob MV an dem Projekt teilnimmt, bei der Landesregierung. Da sich diese jedoch klar gegen eine freie Verfügbarkeit des Suchtstoffes ausspricht, ist mittelfristig nicht mit legal-grünen Rauchschwaden in Mecklenburg-Vorpommern zu rechnen.

Foto: Frank Söllner

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Seit 2017 ist Cannabis in Deutschland zu medizinischen Zwecken freigegeben. Es lindert Symptome bei Patienten mit chronischen Schmerzen, grünen Star, ADHS und Tourettesyndrom. Darüber hinaus wird es gegen Übelkeit und zur Appetitsteigerung bei Krebs-, Aids- und Multipler Sklerose eingesetzt.

Bisher wurden die Blüten der Pflanze importiert. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat am 20. Juli eine Ausschreibung zum Anbau von medizinischen Cannabis in Deutschland veröffentlicht. Unternehmen und Bauern aus MV könnten Cannabis demnach ab 2019 anbauen, „wenn es finanziell lukrativ und in die Fruchtfolge des Bundeslandes passt“, sagt Sarah Selig vom Bauernverband MV.

Bei erfolgreichem Ablauf geht das BfArM davon aus, dass Cannabis voraussichtlich ab 2020 aus dem Anbau in Deutschland zur Verfügung stehen wird.

Foto: Oliver Berg

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Das Online-Format des jungen öffentlich-rechtlichen Online-Anbieters „Funk" hat wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Cannabis-Konsum in einem Dokumentarclip zusammengefasst und bewertet.

Foto: Polizei

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