Eine Tradition verschwindet Die letzten Fischer von Stralsund Die Hansestadt ist berühmt für ihr maritimes Flair, doch Berufsfischer gibt es fast keine mehr – bis auf wenige Männer, die für das alte Handwerk kämpfen.
Eine Reportage von Alexander Müller
Ein Knochenjob - nur mit Gräten
Fischschuppen am ganzen Körper und schwere körperliche Arbeit bei Wind und Wetter. Wer Claas Wolna bei der Arbeit zusieht, hat unweigerlich einen Gedanken: Diesen harten Beruf muss man mögen. Claas Wolna mag ihn nicht nur, er kämpft für ihn, sieben Tage die Woche, immer ab fünf Uhr früh, wenn er die gefüllten Netze aus dem Wasser zieht. Der 46-Jährige und sein Kollege Jörg Krenth von der Dänholm Fisch GBR sind die letzten Berufsfischer in Stralsund.
Fahrt in ungewisse Zukunft
Wenn sie morgens mit ihrem Boot vom Dänholm raus auf den Strelasund fahren, dann machen sie das nicht nur, weil sie von den Fischen leben, die sie dort fangen. Sie machen das auch, weil es dieses traditionsreiche Handwerk ohne sie nicht mehr gäbe. Denn während Stralsund bundesweit für sein maritimes Flair bekannt ist, scheint ausgerechnet eine Gruppe davon nicht zu profitieren: die Fischer.
Von den rund 80 Leuten zu DDR-Zeiten, sind nur noch zwei übrig geblieben.
Sie fühlen sich allein gelassen
"Eine Stadt am Sund ohne Fischer, das geht doch nicht", sagt Bernd Wolna, der Vater von Claas, während er am Steuerruder des Kutters sitzt. Der Mann ist 68 Jahre alt und eigentlich längst in Rente. Trotzdem fährt er täglich mit seinem Sohn raus auf dem Sund – ohne ihn ist die Arbeit für die anderen beiden nicht zu schaffen. "Fisch essen heute alle. Aber wie und wo der gefangen wird, ober er aus Polen oder Dänemark kommt, das interessiert keinen", sagt Bernd Wolna. Einfach aufhören könne er trotzdem nicht. "Wir haben das hier schließlich alles aufgebaut", sagt er.
Handwerk mit langer Geschichte
Bernd Wolna, der Vater von Claas, kennt die alten Zeiten noch aus eigener Erfahrung. Mit 14 hat er den Beruf auf dem Dänholm gelernt. Damals habe es auf beiden Seiten der Insel viele sogenannte Fangbrigaden gegeben. Kleine autarke Einheiten mit je fünf Mann im Auftrag der Fischereigenossenschaft. Alles untergangen.
Niedrige Preise, geringe Fangquoten
An diesem Tag hat die Truppe rund 600 Kilogramm Heringe aus dem Wasser geholt. Eine ordentliche Ausbeute und trotzdem nicht genug, um damit gut über die Runden zu kommen. Von den Verarbeitern bekommen die Fischer 48 Cent pro Kilogramm. Damit sich das lohnt, müssten sie richtig viel davon fangen. Das wiederum verbietet aber die Fangquote, die die Bestände schützen soll. Dieses Jahr darf die Dänholm Fisch GBR 22 Tonnen Heringe fangen – zwölf weniger als letztes Jahr. "Ich bin nicht grundsätzlich gegen Quoten. Aber sie müssen so gemacht sein, dass wir auch davon leben können", sagt Claas Wolna.
Bald ist er der Letzte
Die trüben Aussichten haben dazu geführt, dass sich in der Vergangenheit kaum noch ein Nachfolger gefunden hat, wenn ein Fischer in Rente gegangen ist. Wenn Claas Wolnas Kollege Jörg Krenth in ein paar Jahren aufhört, wird es wohl nicht anders sein. "Ich kämpfe trotzdem weiter. Für mich bedeutet der Beruf Freiheit. Und das ist das einzige, was zählt", sagt Claas Wolna. Wenn es soweit ist, dann bleibt nur noch er allein übrig – als Stralsunds letzter Fischer.